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The Anatomy Of Frank: North America (Review)

Artist:

The Anatomy Of Frank

The Anatomy Of Frank: North America
Album:

North America

Medium: CD
Stil:

Post Pop

Label: Beste! Unterhaltung
Spieldauer: 56:04
Erschienen: 16.10.2015
Website: [Link]

So also hört sich die Musik eines amerikanischen Quintetts an, wenn es als ihre Lieblingsinsel Island für sich entdeckt hat und außerdem gerne gemeinsam mit ARSTIDIR, SVAVAR KNUTUR oder MYRRA RÓS musiziert, aber auch SIGUR RÓS nicht aus den Augen verliert.

THE ANATOMY OF FRANK klingen wie der amerikanische Versuch, isländische Musik zu machen, ohne dabei die eigene Herkunft zu verleugnen. Eine verdammt reizvolle Geschichte, nicht nur aus anatomischer, sondern gerade musikalischer Sicht. Wenn sich die ruhige Romantik und verträumte Insel-Natürlichkeit mit dem rauen Klang und der ausufernden Weite amerikanischen Musik-Gefühls vereint. Dazu eine konzeptionelle Vision, die sich an einer kontinentalen Idee festbeißt, welche zwingend sechs weitere Alben voraussetzt, ohne für sich den Anspruch zu erheben, ungeheuer progressiv klingen zu müssen. Bereits hier blinzelt auch aus konzeptioneller Sicht SUFJAN STEVENS, der ja für alle US-Bundesstaaten ein Album aufnehmen will, es bisher aber nur für zwei (Michigan und Illinois) verwirklichte, um die Ecke. Gleiches gilt auch für die musikalische Orientierung von THE ANATOMY OF FRANK, die unüberhörbar ihre „amerikanische Seite“ dieses Albums an Mr. Stevens anlehnt.

North America“ ist jedenfalls der erste interessante Schritt, dem - so viel lässt sich nach dieser einstündigen Musik-Reise durch Nordamerika schon vermuten - sechs weitere hochinteressante kontinentale Musik-Schritte durch Südamerika, Asien, Europa, Afrika, Australien und die Antarktis folgen werden, wobei laut Bandaussage derzeit der folgende Schritt noch zwischen Europa und Südamerika schwankt. Voraussetzung dafür ist aber, dass jedes Album auch genau auf dem Kontinent, mit welchem es sich musikalisch auseinandersetzt, aufgenommen und produziert wird.

Natürlich sollten wir nicht gleich alles, was aus dem Munde der Musiker um KYLE WOOLARD kommt, für bare Münze nehmen, denn bei einem so seltsam anmutenden Namen, der sich Frank nun aus anatomischer Sicht vornimmt, nachdem eine britische Insel-Band mit ihm bereits nach Hollywood ging, ist durchaus auch ein versteckter Sinn für Humor unverkennbar, der hier nicht unterschlagen werden soll: „Frank ist ein eleganter, schnurrbärtiger, kluger, geheimnisvoller Mann mit universellem Sex-Appeal. Jeder von uns sollte ihn besser kennenlernen.“
Begnügen wir uns vorerst damit THE ANATOMY OF FRANK kennenzulernen!

Öffnen wir das, wie aus dem Hause Beste! Unterhaltung gewohnt, liebevoll gestaltete Digi-Pack, dann entdecken wir eine postergroße Landkarte von Nordamerika, in deren Nordosten und Südwesten insgesamt zwei Befestigungspunkte für die CD angebracht sind. In welcher Ecke Nordamerikas wir unsere CD platzieren, dürfen wir nun mit geografischem Geschick selbst entscheiden. Auf der Rückseite der Karte finden wir dann alle Texte sowie die Angaben zu den Musikern. Allein diese Idee sollte jeden Streaming- und Download-Freund wohl darüber nachdenken lassen, ob er sich dieses Album nicht besser doch in seiner komplett physischen Form zulegt!

CD-Player anwerfen, Schub öffnen und Nordamerika-Reise beginnen.
Zuerst führen uns unsere Ohren nach Minnesota, wo „The wind chill‘s stabbing me in the lungs / I have fallen ill with a cold / I think I‘m gonna like it in the place.“ Vom Text her ein nicht unbedingt einladendes Eckchen, musikalisch aber klingeln die Ohren vor Freude: Satzgesänge wie sie die EAGLES nicht besser hinbekämen, eine Melodie, deren Hookline so unüberhörbar wie die Trompeten von Jericho ist und zarte akustische Klangräume, in denen ein Synthesizer genauso wie ein Glockenspiel ihre freien Entfaltungsräume erhalten, bis eine Pauke „Dum-Dum-Dum-Dum“ wieder den unvergesslichen Refrain einleitet. Doch was schreibe ich hier eigentlich so viel, wo man es sich doch mit einem kleinen Klick direkt in Minnesota ansehen und -hören kann!

Die Reise hat also begonnen und sie geht weiter und weiter, zweimal ist sie gar länger als 9 Minuten, aber niemals kürzer als 4 Minuten. Es passiert viel bei solchen Reisen, denn neben all den Pianos, Gitarren, Schlagzeugen, Synthis und Glockenspielen tauchen immer wieder Violinen, Celli, Trompeten, Posaunen und Flöten auf. Nur Vorsicht, wer jetzt glaubt, dass bei diesem Instrumentarium unsere Musikreise gemächlich wie ein Bergbächlein vor sich hinplätschert oder als Sonnenauf- und -untergang träumerisch einen zarten KlingKlang am Horizont hinterlässt, der kennt seine musikalischen Reiseleiter mit Hang zur Anatomie nicht. Die beiden Longsongs können neben allen Ruhephasen sogar richtig rocken und würden sogar bei progressiv eingestellten Zeitgeistern als kleine Prog-Perlen durchgehen, in denen JIMI HENDRIX-Gitarren auf Schlagzeug-Marsch-Rhythmen und zarte Streicher („Leavenworth, WA“) oder Glockenspiel auf akustische Gitarre und treibende Post-Rock-Variationen („Photographs Of Inuvik In January“) treffen, alles natürlich mit feinem Solo- und Satzgesang veredelt. Und spätestens jetzt wissen wir, was THE ANATOMY OF FRANK damit meinen, wenn sie ihrer Musik den Stempel Post-Pop aufdrücken. Mal geht die Post ab und mal darf man in Melodien versinken, die einem ein Lächeln abringen, selbst wenn man das Leben gerade ziemlich bescheiden findet, weil man statt in Nordamerika irgendwo mitten in Deutschland sitzt und davon träumt, dass in dieser verregneten Jahreszeit endlich mal wieder die Sonne scheint.
Es wird Herbst, aber in „North America“ scheint die Post-Pop-Sonne.

FAZIT: Laut eigener Aussage bewegen sich die Vorbilder von THE ANATOMY OF FRANK zwischen CHOPINs Klassik und BON IVERs liedhafter Melodramatik, wobei sie sogar eine eigene Beschreibung ihres Post-Pops vornehmen: „Wir haben die Tendenz in Musik zu schwelgen, die viele Wechsel beinhaltet und sich langsam aufbaut.“
Mit „North America“ erweitern sie nun ihr schwelgerisches Spektrum um atmosphärisch-träumerischen Pop, aber auch progressiv-postrockige Welt(reise)musik.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 6430x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Minnesota - Part I (For Scott And Jeremy)
  • A Bridge Over Lake Champlain
  • Leavenworth, WA
  • Canton, OH
  • Danville‘s Best And Brightest
  • Ocupy Anchorage
  • My Thick Skin
  • Vancouver, For Child Astronauts
  • Photographs Of Inuvik January

Besetzung:

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